Windstärke 7 – 8 – 9

Geschrieben am 3. November 2012 von

Schon am ersten Tag auf der Nordsee schaukelt das Containerschiff leicht, was der Kapitän aber lachend abtut und meint, dass in ein paar Tagen ein Sturm kommen soll, in dem das Schiff dann richtig anfängt zu schaukeln. Er schwärmt noch von der Seekrankheit, dass alle dann blau und weiß im Gesicht werden und man am liebsten sterben wolle, der Schiffkoch sich aber freue, weil er dann nicht soviel kochen müsse. Wir sind also gewarnt und erwarten gespannt mit den anderen Passagieren den Sturm.

Richtig los geht es auf dem Atlantik, als wir den Ärmelkanal verlassen haben. Zuerst kommt der Wind, der dermaßen stark ist, dass man auf Deck nicht ohne sich festzuhalten stehen kann. Zudem können wir kaum atmen, weil der Wind uns von vorn förmlich ins Gesicht schlägt und die Luft brutal in unsere Lungen presst. Auf der Brücke zeigt der Windmesser 40 Konten (72 km/h) ohne den Fahrtwind an. Da wir gegen den Wind fahren, herrscht draußen also eine Windgeschwindigkeit von über 100 km/h.

Schlechte Sicht von der Brücke aus

Das Schiff stampft schon ganz ordentlich, der Kapitän meint aber, dass die Wellen eine Weile brauchen um sich aufzutürmen. Ein paar Stunden später sieht es dann auch schon anders aus. Der Bug des Schiffes wird von den Wellen mehrere Meter hoch gehoben (der erste Ingenieur schätzt 8 m) und die Kajüten in dem Heckaufbauten schwanken entsprechend hin und her. Richtig durchgeschüttelt werden wir, wenn der Bug sich gerade absenkt und eine richtig große Welle seitlich dagegen schlägt. Das Schiff wird daraufhin um ein paar Meter nach rechts oder links gestoßen, was zur Folge hat, dass in der Kajüte alles, was nicht festgemacht oder in Schränken verstaut ist, vom Tisch fällt oder hin und her rollt. Es fühlt sich an, als ob wir in einem Sportauto sitzen, das mit viel zu hoher Geschwindigkeit durch die Kurven fährt.

Folgen der Wucht einer Welle

Die Wellen werden derart stark, dass wir nicht mehr zum Bug und überhaupt nicht mehr auf Deck gehen dürfen. Stattdessen zeigt uns der erste Ingenieur den Maschinenraum mit dem Schiffsmotor, den Dieselgeneratoren und der Meerwasserentsalzungsanlage. Anschließend führt er uns durch den Passage Way, der an der Innenseite des Schiffes entlang führt, nach vorn. Wenn eine besonders große Welle den Bug erfasst, können wir dort hören, wie der Anker gegen die Außenwand des Schiffes schlägt. Es klingt aber eher wie eine Explosion. Der erste Ingenieur meint, dass es schon einmal passieren kann, dass der Anker von der Ankerkette reißt und im Meer versinkt, obwohl er nach ganz oben gezogen ist. Er meint aber auch, dass das so gewollt ist, denn so ein 7-Tonnen-Anker kann die Außenstahlwand durchschlagen. Daher ist die Ankerkette so berechnet, dass sie eher reißt, als dass das Schiff beschädigt wird. Als wir nach dem Sturm das erste Mal wieder am Bug sind, entdecken wir einen verbeulten Container. Eine hohe Welle hat ihn dermaßen hart getroffen, dass sie einfach die Stirnseite des Stahlcontainers um ca. 30 cm eingedrückt hat, selbst die stabilen Außenkanten des Containers sind leicht verbogen.

Ob wir seekrank geworden sind? Na ja, ohne Medikamente (Vomacur von Hexal) wären wir es wohl geworden. Bei mir (Albrecht) begann es mit einem Schwindelgefühl, sodass ich mich kaum mehr auf den Beinen halten konnte, und mit einer Antriebslosigkeit verbunden mit einem leicht flauen Gefühl im Magen. Nachdem ich einen ganzen Vormittag auf Besserung gewartet habe, habe ich doch das Medikament probiert, was ich eigentlich vermeiden wollte, weil einem durch das Lesen der Packungsbeilage Angst und Bange wird. Die Wirkung war aber Wahnsinn. Nach einer Stunde ging es mir wieder richtig gut. Der Schwindel war weg und ich konnte wieder Laufen, das flaue Gefühl im Magen war weg und ich hatte wieder Lust etwas am Rechner zu arbeiten. Das langsame Schaukeln des Schiffes habe ich danach gar nicht mehr mitbekommen. Nur noch das Gewackel, wenn wieder ein Welle das Schiff erschütterte. Das ganze fühlt sich dann an, wie als wenn man in einem Zug sitzt und über sehr alte Gleise und Schwellen rast. Unsere Mitpassagiere nahmen auch Medikamente ein und so musste der Koch doch ganz normal kochen.

Einen Kommentar zu Windstärke 7 – 8 – 9

  1. Fridy

    Moin, moin ihr 2!

    …schicke Sache mit so einem Koloss durch den Atlantik zu schippern…bloß nicht zur entspannensten Jahreszeit?! – eine Kreuzfahrt kann man sich auch anders vorstellen… (30°C, leichte Brise, bei voller Sonne, am Bug-Pool…) grinz. Nach ca. 5 Stunden Ostsee-Angel-Geschaukel ist der Gang an Land sehr leichtfüßig und nie gerade – schönes Gefühl auf festen Boden zu stehen!

    Euch noch eine Gute Weiterfahrt, oder inzwischen Landgang in NY-City!?!

    LG Fridy und Doro.