Stürmische Ankunft

Geschrieben am 12. November 2013 von

Bevor wir unsere Seefahrt beenden und in Südkorea an Land gehen, scheint sich der Pazifik noch einmal würdig von uns verabschieden zu wollen. Ein Taifun zieht an Japan vorbei und verursacht dabei so hohe Wellen, dass unser Schiff sich bis zu 20° Neigungswinkel auf die Seite legt. Nachdem uns bereits ein Glas in unserer Kabine zu Bruch gegangen ist, räumen wir alles weg, was vom Tisch herunter fallen könnte. Trotzdem klappert und scheppert es noch beängstigend in den Schränken, wenn Bücher, Dosen und Elektrogeräte von einer Ecke in die andere rutschen.

Wenn die Wellen seitlich auf das Schiff treffen, fängt es stark an zu rollen. Dabei rutscht alles hin und her, was nicht festgebunden ist. Auf dem Video ist vor allen Dingen ein Mülleimer zu hören, der scheppernd gegen Stühle und Möbel kracht.

Auch die Mahlzeiten in der Offiziersmesse verlaufen bei so einem Sturm nicht so ruhig und entspannt ab, wie sonst immer. Anstatt der Suppenteller gibt es große Schüsseln für die Suppe. Obwohl wir unsere Gläser bei jeder Welle festhalten, gibt es auch hier Scherben. Bei einer besonders großen Welle rutscht Albrecht einmal samt seinem Stuhl und Suppenschüssel, die er reaktionsschnell hochgehoben hat, quer durch den Raum. Mitten im Raum bleibt er dann stehen, weil die Welle ihren Höhepunkt erreicht hat und kommt dann in Gegenrichtung wieder zurück an den Tisch gerutscht.

Doch nicht alle können das Schwanken und Schaukeln, das für uns eher lustig ist, so auf die leichte Schulter nehmen. Einer unserer Mitpassagiere ist vor zwei Tagen unglücklich gestürzt und hat sich am Bein verletzt. Noch wissen wir nicht, was es genau ist, weil es keinen Arzt an Bord gibt und die Offiziere ohne Röntgengerät außer einer Schwellung nicht viel feststellen können. Also muss er die Zähne zusammen beißen und warten, bis er in Pusan in ein Krankenhaus fahren kann. Bisher konnte er auf Krücken wenigstens in seinem Zimmer umher humpeln, aber mit einem ständig schwankenden Boden unter den Füßen, auf dem schon wir Gesunden um unser Gleichgewicht kämpfen müssen, wird auch das bald unmöglich.

Der Kranke wird in einer Kiste mit einem Kran an Kai gelassen.

Der Kranke wird in einer Kiste mit einem Kran hinab gelassen

Wir unterstützen ihn so gut wir können und sind froh, als die Wellen wieder ruhiger werden und wir uns dem Hafen von Pusan nähern. Schon kommt der Lotse an Bord und übernimmt das Kommando. Als wir längsseits am Kai liegen stellt sich unserem Mitreisenden das nächste Problem: Die Gangway, die von Bord führt, ist schmal und wackelig, und bietet mit den Krücken nicht genügend Halt. Mit ihr kommt er jedenfalls nicht hinunter. Aber der Kapitän hat schon eine Lösung für das Problem. Die Matrosen stellen einen Stuhl in eine Metallbox, die sonst für Lasten verwendet wird. Darein wird der Kranke gesetzt und schwebt so langsam dem Kai entgegen, wo schon ein Mitarbeiter der Reederei auf ihn wartet. Mit den Krücken schafft er es bis ins bereit stehende Auto, aber dann muss er sie leider abgeben, weil es auf dem Schiff nur das eine Paar gibt. Das heißt, den Weg in die Zollstation und in die Behörde für Einreise muss er jeweils gestützt auf Albrecht und den Mitarbeiter der Reederei auf einem Bein hüpfend zurück legen.

Das erste das uns in Südkorea auffählt, sind die vielen Leuchtreklamen an den Häusern

Südkorea begrüßt uns mit einem Lichtermeer aus Leuchtreklamen

Als das alles geschafft ist, fahren wir auf dem schnellsten Wege ins Krankenhaus, wo die Ärzte einen Bruch feststellen, der am nächsten Tag operiert werden muss. Bis er dann wieder laufen kann, wird es wohl noch ein bis zwei Monate dauern. Wir verabschieden uns von ihm, denn wir wissen ihn jetzt in guten Händen. Wir fahren zu unserem Hostel und bummeln am Abend noch durch die Straßen mit den vielen Leuchtreklamen und kleinen Läden. Jetzt erst realisieren wir so richtig, dass wir in Südkorea angekommen sind.